unvorhergehört / projekt 2.09

konzert 09
mats bergström | gitarre

07 juni 2009 | 19:45 uhr (einlass 18:30 uhr)

michael struck-schloen | moderation

eine produktion von

  • minimal productions
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  • altes pfandhaus
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    50678 köln

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    vvk: 10 euro zzgl. vvk-gebühren | ak: 15 euro

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    07. juni 2009

    mats bergström | gitarre

    william walton | five bagatelles

    »dadodado«, seven short pieces for guitar
    ida lundén | dadodado
    christofer elgh | cornelia sover
    anna eriksson | ekorren gick vilse - uraufführung
    johan berke | är vi inte framme snart?
    thomas jennefelt | where are you? - uraufführung
    andré chini | när jag blir stor - uraufführung
    anders hillborg | nursery rhymes


    - pause -

    marcus antonius wesselmann | solo 3

    anders hillborg | close up

    steve reich | electric counterpoint



    mats bergström

    kurzbiographie



    © per-erik adamsson

    www.matsbergstrom.com
    Kurzbiographie

    Der schwedische Gitarrist Mats Bergström (geb. 1961) studierte an der Königlichen Musikhochschule in Stockholm und Juilliard in New York. 1983 debütierte er in der Wigmore Hall in London und arbeitet seitdem als Solist, Begleiter und Ensemblemusiker in den verschiedensten Genres.

    Er gibt Solokonzerte, spielt Standardwerke für Gitarre und Orchester und arbeitet regelmäßig mit führenden Sängern und Sängerinnen sowie Instrumentalisten zusammen. Den Begriff „Kammermusik“ erweitert er in einem Trio zusammen mit dem Cellisten und Kontrabassisten Svante Henryson und dem Schlagzeuger Magnus Persson. In Deutschland ist er häufig mit dem Ensemble Modern (Frankfurt a.M.) und der musikFabrik (Köln) zu hören.

    Mats Bergström arrangierte viele Lieder und instrumentale Werke für Gitarre, darunter Schuberts die schöne müllerin, und machte eine Reihe von Aufnahmen. Seine neueste CD, perceptions of time (auf dem Label Caprice Records) stellt ihn sowohl als Solisten als auch zusammen mit dem Kontrabassisten Anders Jormin und dem Violinisten Joakim Svenheden mit Musik von Jormin, Arvo Pärt, Sofia Gubaidulina und Mossenmark & Norda vor.

    Mats Bergström ist Mitglied der Kungliga Musikhögskolan (Königliche Musikakademie).

    der interpret



    © pelle piano

    www.matsbergstrom.com
    Der schwedische Gitarrist Mats Bergström

    Obwohl die Gitarre eine jahrhundertealte Tradition mit einem umfangreichen Repertoire aufzuweisen hat, fand sie über lange Zeit in der mitteleuropäischen Musik nicht annähernd dieselbe Beachtung wie etwa das Klavier oder die Violine. Als „ein mit 5 doppelten Darm-Saiten-Chören bezogenes plattes Lauten-mäßiges Instrument, welches sonderlich vom Spanischen Frauenzimmer gebraucht wird“, handelte sie Johann Gottfried Walther 1732 in seinem „Musicalischen Lexicon“ etwas geringschätzig ab, und noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – vor allem im Bereich der sogenannten klassischen Kunstmusik – hafteten ihr klischeehafte Vorstellungen spanischer Gitarrenmusik an, die sie für viele Komponisten uninteressant machten. Man verband mit ihr fast ausschließlich spanische Folklore, vom Flamenco beeinflusste Rhythmen sowie rasche Tremolo- und Rasgueado-Passagen, die zuweilen auch mit intimem melodischen Spiel abwechseln konnten.
    Doch es gab auch Ausnahmen. So behandelten Arnold Schönberg und Anton Webern die Gitarre in einigen ihrer Werke in durchaus emanzipierter Weise (Schönberg beispielsweise in der serenade op. 24 und Webern in den 5 stücken für orchester op. 10 sowie den liedern op. 18 und 19). Und Frank Martin, Darius Milhaud und Paul Hindemith schrieben solistische Werke für das Instrument, die sich den Vorstellungen von (hispanisch-folkloristisch geprägter) Gitarrenmusik widersetzten, wohl deshalb aber auch nur wenig Beachtung fanden. Nach 1945 änderte sich in der Musik einiges, sodass sich seit den sechziger Jahren zahlreiche bekannte Komponisten – darunter, um nur einige wenige zu nennen, Giacinto Scelsi, Hans Werner Henze, Helmut Lachenmann, Toru Takemitsu, Benjamin Britten, Rolf Riehm und Michael Tippett – vermehrt der Gitarre annahmen.
    Ganz unabhängig von dieser Entwicklung gehört die Gitarre heute, ähnlich wie das Klavier, zum musikalischen Grundbestand vieler Haushalte. Sie verdankt dies vor allem ihrer universellen Eignung als Rhythmus-, Harmonie- und Melodieinstrument sowie dem Umstand, dass man auf ihr auch ohne allzu großen Übeaufwand recht ansprechende Klänge hervorbringen kann. Nicht zuletzt ist ein großer Teil der Pop- und Rockmusik ohne sie kaum vorstellbar, was ihr in den vergangenen Jahrzehnten stets große Beliebtheit garantierte. So kam auch Mats Bergström, 1961 im schwedischen Gävle – knapp 180 Kilometer nördlich von Stockholm – geboren, ganz ohne Umwege zu diesem Instrument. Da sich im Hause Bergström eine Gitarre befand, lag diese Wahl nahe, zumal damals die Beatles mit ihrem Gitarrensound zu seinen größten musikalischen Vorbildern zählten. Und es wurde in Bergströms Familie überaus professionell musiziert: Der Vater spielte als Flötist im angesehenen Schwedischen Radio-Sinfonieorchester, die Mutter sang als Mitglied im kaum weniger renommierten Schwedischen Rundfunk-Chor. Bereits mit acht Jahren erhielt Mats Bergström, der wegen der beruflichen Verpflichtung seiner Eltern in der schwedischen Kapitale aufwuchs, privaten Unterricht auf der klassischen und der elektrischen Gitarre, aber auch in Improvisation und Gehörbildung. Die eindrucksvolle Karriere, die er später als Gitarrist ansteuern sollte, war zu diesem Zeitpunkt jedoch kaum abzusehen, nicht zuletzt auch wegen anderer Interessen und Vorlieben, die den Jugendlichen einnahmen. „Mein größtes Interesse galt dem Tischtennis“, sagt Bergström rückblickend, „ich habe mich der Sache sehr hingegeben, jedoch fehlte mir wirkliches Talent.“ So blieb eine Karriere als professioneller Tischtennisspieler nur ein Jugendtraum – auch wenn er einmal als Vierzehnjähriger, wie er sich augenzwinkernd erinnert, keinen Geringeren als den damals etwas jüngeren Jan-Owe Waldner, der sich später für viele Jahre in die absolute Weltspitze spielen sollte, an der Platte bezwingen konnte.
    Doch mit 16 Jahren änderte sich dann Bergströms Verhältnis zur Musik und zu seinem Instrument insofern, als er nun begann, intensiver und zielgerichteter zu üben. Schon ein Jahr später brachte ihm dies die Aufnahme an der Königlichen Musikakademie in Stockholm ein. In den folgenden Jahren studierte er hier bei Rolf la Fleur, um schließlich 1982 seinen Abschluss zu machen. 1983 dann der Durchbruch, als er mit 22 Jahren den Domecq International Guitar Competition gewann und im Anschluss daran sein Debüt in der bekannten Londoner Wigmore Hall feiern konnte. Mit verschiedenen Stipendien war es Mats Bergström zudem möglich, ein ganzes Jahr in London zu verbringen, bevor er sich ausschließlich seiner Karriere widmete. Neben Auftritten als Solist, Begleiter und Ensemblemusiker führte ihn sein Weg zunächst vor allem als Gast- bzw. Sessionmusiker in den Bereich der populäreren Musik, auf Konzertreisen mit zahlreichen schwedischen Musikern und in die Aufnahmestudios. Nachdem bereits 1986 sein erstes Solo-Album – u.a. mit den five bagatelles von William Walton – erschienen war, unterbrach Bergström in den Jahren 1990 bis 1992 seine Konzerttätigkeit, um ein Postgraduiertenstudium bei Sharon Isbin an der renommierten Juilliard School in New York zu absolvieren. Seit diesen Jahren in New York ist er im Wesentlichen als Solist, Kammermusiker und Liedbegleiter zu hören.
    Dass Mats Bergström, der heute etwa 30 bis 40 Konzerte im Jahr gibt, am liebsten mit Sängerinnen und Sängern zusammenarbeitet, hat seinen Grund auch in der besonders intimen und nicht eben zu exorbitanter Lautstärke neigenden Klanglichkeit des Instruments. Denn unabhängig von allen persönlichen musikalischen Vorlieben – Bergström nennt hier vor allem die Namen Bach und Schubert, aber auch Hans Werner Henze – fordert die Gitarre im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten oder Vokalisten eine behutsame klangliche Ausbalancierung: „Eine Flöte oder eine Violine“, so Bergström, „lassen sich normalerweise gut klanglich kombinieren. Eine Klarinette, oder auch ein Saxophon, ist dagegen häufig zu laut. Selbst ein modernes Cello kann da problematisch sein. Am liebsten arbeite ich mit verschiedenen Vokalisten zusammen.“
    So begleitete Bergström bereits Künstlerinnen wie Anne-Sofie von Otter, Barbara Hendricks und Malena Ernman sowie den schwedischen Bariton Mikael Samuelson, mit dem er sich unbekannterem Repertoire widmete – etwa Liedern von Carl Michael Bellman (1740–95) und Birger Sjöberg (1885–1929). So geeignet die Gitarre für die Liedbegleitung auch erscheint – einen entscheidenden „Nachteil“ hat sie dann doch. Da der Großteil der Lieder und Arien eben für Gesang und Klavier bzw. Orchester komponiert ist (bzw. im Fall der Opern in Klavierarrangements und -auszügen vorliegt), muss der Gitarrist, wenn er die entsprechenden Werke in sein Repertoire aufnehmen möchte, sie zunächst für Gitarre transkribieren oder arrangieren. Was jedoch – wie Bergström 2004 im Gespräch mit Colin Cooper betonte – nicht grundsätzlich ein Manko bedeuten muss: „In Bezug auf die Opernarien ist es so, dass die Sänger selten die Gelegenheit haben, mit einem Orchester zu arbeiten, und sie studieren diese Arien gewöhnlich mit dem Klavier ein. In einigen dieser Arien geht das mit der Gitarre ebenso gut. Und in carmen beispielsweise ist die Gitarre viel enger mit den Vorstellungen von Sevilla und all dem verbunden.“
    Neben Opernarien nimmt sich Bergström vor allem Lieder vor. Gemeinsam mit Martin Bruns transkribierte er so beispielsweise Schuberts Liederzyklus die schöne müllerin für Singstimme und Gitarre, den er 1997 gemeinsam mit dem schwedischen Bariton Olle Persson auf CD aufnahm. Aber auch das im Vergleich zu anderen Instrumenten relativ eng begrenzte Repertoire an Solo- und Kammermusikwerken fordert ihn dazu auf, immer wieder über den Tellerrand des Bestandes von Originalkompositionen hinauszuschauen.
    So finden sich unter seinen CD-Einspielungen Gitarrenarrangements der Solosonaten und -partiten für Violine von Johann Sebastian Bach ebenso wie entsprechend arrangierte Kammusikwerke beispielsweise von Franz Schubert, Peter Tschaikowsky, Jean Sibelius, Wilhelm Peterson-Berger, Wilhelm Stenhammar, Edvard Grieg und Carl Nielsen.
    Ganz anders ist die Situation im Jazz und in der neueren und zeitgenössischen Musik, in der sich Arrangements ohnehin weitgehend verbieten. So widmet sich Bergström im Septett Heavy Breeze besonders der Musik von Frank Zappa, während er in seinen Solo Recitals die ganze Bandbreite originaler Gitarrenkompositionen abdecken kann. Häufiger als in solchen Solo Recitals mit Neuer Musik spielt Mats Bergström jedoch als Gastmusiker in verschiedenen Ensembles für zeitgenössische Musik. Wegen der in der neuesten Ensemblemusik recht häufigen Verwendung der elektrischen Gitarre melden diese Ensembles regelmäßig Bedarf an versierten E-Gitarristen an. Neben dem schwedischen, in Stockholm beheimateten KammarensembleN zählen dazu vor allem die in Deutschland führenden Ensembles wie das Ensemble Modern, das ihn erstmals 1997 für eine Hanns-Eisler-Produktion als Banjo-Spieler engagierte, sowie die in Köln ansässige musikFabrik. So gerne er einerseits solche Engagements annimmt, so stört es ihn andererseits doch ein wenig, dass er speziell in Deutschland fast ausschließlich als E-Gitarrist wahrgenommen wird. Mit dem Programm des heutigen Porträtkonzerts gibt Mats Bergström, der seit sieben Jahren mit seiner Frau und seinen drei Kindern auf dem Land in der Nähe von Uppsala lebt, einmal mehr eine Gelegenheit, dieses Bild zu revidieren und seine Vielseitigkeit sowohl auf der klassischen als auch – in der zweiten Hälfte des Konzerts – auf der elektrischen Gitarre zu erleben.

    Andreas Günther

    die komponisten



    © erich auerbach

    www.williamwalton.net
    William Walton: five bagatelles

    Obwohl der britische, 1902 in Oldham (Lancashire) geborene Komponist William Walton seine Laufbahn gleich als „enfant terrible“ begann – mit seinem zum Teil jazzig gefärbten „Entertainment“ façade (1922–29) hatte er seinen Zuhörern einen satirischen Zerrspiegel vorgehalten und so einen kleinen Skandal verursacht –, prägte er in seinem späteren Schaffen einen eher gemäßigt modernen Stil aus. Das gilt auch für die 1970/71 entstandenen five bagatelles. Walton komponierte sie für den befreundeten Gitarristen Julian Bream (*1933), der die fünf Sätze stückweise im Februar, März und Mai 1972 in der Londoner Queen Elizabeth Hall, bei der BBC und in den Assembly Rooms in Bath zur Uraufführung brachte und kurze Zeit später, 1974, auch in der „William Walton Edition“ herausgab. Heute zählen sie zu den beliebtesten Werken des neueren Gitarrenrepertoires, auch wenn sie im Konzertsaal nur selten zu hören sind. In Mats Bergströms Karriere spielten diese fünf kurzen Stücke eine wichtige Rolle, zählten sie doch, wie er sagt, während eines ganzen Lebensabschnittes zu „seinen“ Werken. 1983 gewann er mit ihnen den bereits erwähnten Domecq International Guitar Competition. Kurz darauf waren sie Teil des Programms, mit dem er in der Londoner Wigmore Hall debütierte, und 1986 wählte Bergström sie für sein erstes Soloalbum aus.

    Andreas Günther



    Gitarrenstücke aus dem Projekt »dadodado«

    „Irgendwann fiel mir auf“, so Mats Bergström, „dass mein Solorepertoire ein paar kurze Kompositionen enthielt, die sich alle auf die eine oder andere Art und Weise auf Kinder beziehen. Ich begann damit, sie wie eine Werkgruppe oder Suite zusammen aufzuführen und hatte schließlich die Idee, noch weitere solcher Stücke in Auftrag zu geben. Stilistisch unterscheiden sie sich alle. Gemeinsam ist ihnen, neben der Kinder-Thematik, ihre Kürze, die zwischen gerade einmal 30 Sekunden und fünf Minuten variiert.“ Zusammen mit Anders Hillborgs nursery rhymes spielt Bergström heute insgesamt sieben dieser Werke.

    Andreas Günther

    Ida Lundén: dadodado

    Die Schwedin Ida Lundén, geboren 1971, schrieb ihr Stück dadodado für Gitarre solo 2003 im Rahmen einer Zusammenarbeit der Kompositionsklasse und der Gitarrenstudenten an der Königlichen Musikakademie in Stockholm, die Mats Bergström während seiner Professorenzeit dort initiiert hatte. Das Stück fordert ein Instrument, bei dem alle sechs Saiten in verschiedenen Oktaven auf G gestimmt sind. Darüber hinaus kommt eine zweckentfremdete Aluminiumbackform zum Einsatz … » top

    Andreas Günther

    Christofer Elgh: cornelia sover

    Christofer Elgh, 1969 in Åmål geboren, studierte wie Ida Lundén Komposition in Stockholm. Selbst von Hause aus Gitarrist, schrieb er mehrere Stücke für das Instrument, darunter auch das 2006 entstandene cornelia sover (drömmer). Wie der Titel andeutet – ins Deutsche übersetzt bedeutet er „Cornelia schläft (träumt)“ –, ließ sich Elgh von seiner gerade geborenen Tochter zu diesem Werk inspirieren. Das Stück beruht im Wesentlichen auf harmonischen Konstellationen, zu denen besondere Klangeffekte hinzutreten.» top

    Andreas Günther



    © kristin lidell

    www.annaeriksson.se
    Anna Eriksson: ekorren gick vilse

    Auch Anna Eriksson, geboren 1963 und neben ihren musikalischen Aktivitäten als Lichtkünstlerin tätig, kann beim Komponieren auf ihre Erfahrungen als Gitarristin zurückgreifen. Ihr Stück ekorren gick vilse (Das Eichhörnchen hat sich verirrt), das sie Anfang dieses Jahres für Mats Bergström schrieb, erlebt heute seine Uraufführung. Der Titel ist an das bekannte schwedische Kinderlied ekorrn satt i granen (Das Eichhörnchen saß auf der Tanne) von Alice Tegnér angelehnt, während die Musik auffällige Bezüge zu Heitor Villa-Lobos etude no. 1 in e-moll herstellt. » top

    Andreas Günther

    Johan Berke: är vi inte framme snart?

    Johan Berke (*1966) hat sich in den letzten Jahren als Jazz-Gitarrist und Komponist einen Namen gemacht. Für Mats Bergström komponierte er im Spätsommer 2006 das Stück mit der bei Kindern so beliebten Frage är vi inte framme snart? (Sind wir bald da?) im Titel. » top

    Andreas Günther

    Thomas Jennefelt: where are you?

    Thomas Jennefelt, 1954 im schwedischen Huddinge geboren, ist vor allem für seine Vokalmusik bekannt, was auch darauf zurückzuführen ist, dass er früher in Eric Ericssons bekanntem Kammerchor sang und für diesen zahlreiche Werke komponierte. Der Titel seines neuen, heute von Mats Bergström uraufgeführten Solostücks where are you? seien, so Jennefelt, die „Worte eines Kindes, das mitten in der Nacht oder an einem anderem Ort aufwacht. Die Realität scheint, durch die Irritation nach einem Traum, unwirklich, und der Verlust des Vertrauten ist beängstigend.“
    Die beiden Welten von Traum und Wirklichkeit spiegeln sich in zwei verschiedenen harmonischen Bereichen wider. Jennefelt lässt dazu die erste, dritte und fünfte Saite um einen Viertelton verstimmen. Das Stück wechselt zwischen den Bereichen von normal gestimmten und vierteltönig verstimmten Saiten ab, lässt zuweilen aber auch die beiden harmonischen Welten durch simultanen Gebrauch aller Saiten ineinander verschwimmen. » top

    Andreas Günther



    André Chini: när jag blir stor

    André Chini, geboren 1945 auf Korsika und heute als Oboist, Dirigent und Komponist tätig, lebt seit 1975 in Schweden und ist mittlerweile auch schwedischer Staatsbürger. Seine Kompositionen nehmen immer wieder kritisch Bezug auf politische oder soziale Themen, was auch für sein neues Gitarrenstück när jag blir stor … (Als ich groß wurde …) gilt, das er „Mats Bergström und allen Kindersklaven weltweit“ widmete. » top

    Andreas Günther

    Anders Hillborg: nursery rhymes und close up

    Anders Hillborg, 1954 in Stockholm geboren, studierte von 1976 bis 1982 Komposition und Elektronische Musik an der Stockholmer Musikhochschule und zählt heute zu den bekanntesten zeitgenössischen schwedischen Komponisten. Zu den auffälligsten Merkmalen seiner Werke, die er seit 1982 als freischaffender Künstler hervorgebracht hat, gehören Einflüsse und Anregungen eines Brian Ferneyhough ebenso wie Elemente aus dem Jazz und der Rock- und Popmusik. Dazu tritt auf der strukturellen Ebene – vor allem der Ensemble- und Orchesterwerke – immer wieder eine mikrotonale Harmonik hervor.
    Die heute von Mats Bergström aufgeführten Kompositionen – nursery rhymes (Kinderreime) und close up (Nahaufnahme) – entstanden 1992 und 1995/96. Beide Stücke sind insofern miteinander verwandt, als ihr Tonmaterial jeweils auf Tonreihen beruht, die Hillborg durch einen Filterungsprozess auf der Grundlage von Primzahlverhältnissen gewann und später auch anderen Werken zugrundelegte. nursery rhymes, bestehend aus zwei kurzen Sätzen, in denen unauffällig zwei schwedische Kinderlieder verarbeitet sind, ist im Original für Klarinette und Schlagzeug ad libitum besetzt. Hillborg schrieb das Stück 1995 für den schwedischen Klarinettisten Martin Fröst und den ebenfalls aus Schweden stammenden Schlagzeuger Niklas Brommare. close up für ein beliebiges Soloinstrument dagegen geht auf das 1991 entstandene Flötenstück närbilder (close ups) zurück. Als Mats Bergström die Partituren beider Werke zu Gesicht bekam, fiel ihm sofort ihre Eignung für die Gitarre auf. Er beschränkte sich allerdings nicht allein auf diese Uminstrumentierung, sondern ließ sich zudem von dem schwedischen Popmusik-Produzenten Magnus Frykberg passende Beats programmieren, die er der Solostimme unterlegte. Anders Hillborg bekam, mit der Bitte um eine Genehmigung, eine Aufnahme dieser Version und gab sein Einverständnis. » top

    Andreas Günther



    © malangeri photography

    www.preparadise.deRELAUNCHED
    Marcus Antonius Wesselmann: solo 3

    Der Kölner Komponist Marcus Antonius Wesselmann hat bereits ein recht umfangreiches Œuvre vorgelegt, zu dem neben zahlreichen Solo- und Ensemblewerken auch ein abendfüllendes, allerdings noch nicht uraufgeführtes Oratorium (preparadise nach Rainer Werner Fassbinder und Bertolt Brecht) gehört. Allen seinen bisher entstandenen Werken ist gemein, dass ihnen komplexe strukturelle Vorordnungen zugrundeliegen, die etwa auf vorab definierten Zahlenformeln oder Binärcode-Folgen fußen. Sie regulieren sowohl großformale Prozesse als auch die kompositorische Integration einzelner musikalischer Parameter wie Tonhöhen, Tondauern und Dynamik sowie harmonische Konstellationen, Ereignisdichten, Instrumentierungen und sogar verschiedene instrumentale Spielweisen. Wesselmann strebt so eine Musik an, in der Form und Inhalt gewissermaßen zusammenfallen und die zugleich eine sich dem Hörer allzu unmittelbar aufdrängende Emotionalität vermeidet.
    All dies gilt auch für sein solo 3, das 1992 entstand und somit eine seiner frühesten gültigen Kompositionen ist. Wie in anderen Werken ging Wesselmann in diesem Stück für E-Gitarre von bestimmten physikalischen und akustischen Eigenschaften des Instruments aus, um diese der kompositorischen Faktur wie ein Raster von Regeln und in Zahlenverhältnissen ausgedrückten Proportionen einzupflanzen. Zentral ist diesbezüglich der Umgang mit den Saiten bzw. deren Stimmung: Zum einen stützt sich Wesselmann – gleichsam virtuell – auf die traditionelle Gitarrenstimmung, in dem er die Schwingungsverhältnisse der Saiten (etwa 3:4 im Fall der Quarte) den Proportionen der verschiedenen Tempi, aber auch den harmonischen, rhythmischen und letztlich auch spieltechnischen Konstellationen zugrundelegt. Andererseits hebelt er jedoch gleichzeitig die herkömmliche Stimmung durch eine Skordatur, also ein gezieltes diatonisches Verstimmen der Saiten, aus. Die notierten und als solche auch gegriffenen Dur- und Mollakkorde erklingen damit als komplexe dissonante Gebilde.
    Jeder der sechs Sätze steht für eine bestimmte spieltechnische Idee – wie beispielsweise die Bottleneck-Glissandi im zweiten und dritten Satz oder die Technik des Echo-Delays im ersten und letzten Satz, welche die Klangereignisse mit einem fest eingestellten Tempo von 70 Wiederholungen pro Minute repetiert. Wie eine Klammer erscheinen die beiden Außensätze, die von ihrer Materialanordnung her identisch sind, jedoch durch völlig verschiedene Tempi – der Schlusssatz wird genau viermal so schnell gespielt wie der erste Satz – recht kontrastierende Klangwelten entfalten. Die unterschiedlichen Tempi sorgen dafür, dass die live gespielten Akkordfolgen durch das (im Tempo fixierte) Echo-Delay jeweils auf andere Weise mit ihrer zeitlich verzerrten Kopie überlagert werden und so in verschiedenartigen Rhythmisierungen erscheinen. » top

    Andreas Günther



    © jeffrey herman

    www.stevereich.com
    Steve Reich: electric counterpoint

    Steve Reich, 1936 in New York geboren, gilt neben Terry Riley, La Monte Young und Philip Glass als Hauptvertreter der in den 1960er Jahren in den USA entstandenen „Minimal Music“. Seine ersten Experimente waren Tonbandkompositionen, in denen er kurze Mitschnitte alltäglichen Sprachmaterials mittels Bandschleifen repetitiv aneinanderreihte, um sie dann durch verschieden schnell ablaufende, sich akustisch überlagernde Tonbänder graduellen Phasenverschiebungen zu unterwerfen. Im Zusammenklang dieser auseinanderdriftenden Klangverläufe ergeben sich so kontinuierlich neue Muster und Konstellationen, eine Art musikalischer Illusionismus, den Reich später auch auf die Instrumentalmusik übertrug, wobei er bereits seit den 1970er Jahren immer wieder mit neuen Varianten und Techniken, aber auch verschiedenen Besetzungen experimentierte.
    electric counterpoint für E-Gitarre bzw. verstärkte akustische Gitarre und Tonband entstand im Sommer 1987 als Auftragswerk des New Yorker Next Wave Festivals für den Jazzgitarristen Pat Metheny. Es ist eines von mehreren Solostücken – darunter auch vermont counterpoint für Flöte von 1982 und new york counterpoint für Klarinette von 1985 –, bei denen sich der Solist zunächst selbst auf Band aufnimmt, um dann bei der Aufführung des Werks live zu dieser Aufnahme zu spielen. Mats Bergström, der electric counterpoint bereits mehrfach aufgeführt hat (u.a. 2007 im Konserthuset Stockholm bei der Verleihung des Polar Music Prize an Steve Reich), hat für das heutige Konzert insgesamt 14 Parts vorab aufgenommen, die bei der Aufführung mit dem live gespielten Part überlagert werden. In den drei Sätzen, die in der Tempofolge schnell – langsam – schnell unmittelbar aneinander anschließen, geht es weniger um graduelle Phasenverschiebungen (wie in den frühen Tonbandkompositionen oder in piano phase) als vielmehr um Überlagerungen verschiedener melodischer, harmonischer und rhythmischer Patterns, die zu immer neuen akustischen „Vexierbildern“ zusammengefügt werden. Reich bedient sich dabei verschiedener „Themen“ (von denen etwa das des ersten Satzes aus der zentralafrikanischen Hornmusik abgeleitet ist) und durchaus „traditioneller“ Kompositionstechniken wie dem Kanon. » top

    Andreas Günther