unvorhergehört / projekt 2.10

konzert 10
helen bledsoe | flöte

05 juli 2009 | 19:45 uhr (einlass 18:30 uhr)

michael struck-schloen | moderation

eine produktion von

  • minimal productions
  • in kooperation mit

  • altes pfandhaus
  • kartäuserwall 20
    50678 köln

    karten

    vvk: 10 euro zzgl. vvk-gebühren | ak: 15 euro

    kartenreservierung

  • concerts@minimal-productions.de
  • telefon: +49 (0) 221 - 430 825 18

    anfahrt und lage

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  • programm

    05. juli 2009

    helen bledsoe | flöte

    claude debussy | syrinx
    edgar varèse | density 21.5
    luciano berio | sequenza no.1
    jüri reinvere | opposite of thought - uraufführung
    - pause -

    marcus antonius wesselmann | solo 1
    tōru takemitsu | voice
    robert dick | electric blues
    helen bledsoe | that cat don't sit

    helen bledsoe

    kurzbiographie

    Kurzbiographie

    "Musiker haben auch als Erwachsene die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu entwickeln und wieder von vorn zu beginnen." Darin, sagt Helen Bledsoe, "liegt die einmalige Chance, über die engen traditionellen Grenzen seines Instruments und damit über sich selbst hinaus zu gelangen". Jenseits der gewohnten Grenzen kann dann beispielsweise die intensive Auseinandersetzung mit neuer Musik stehen, der Bledsoe nun seit vielen Jahren schon ihr hauptsächliches Augenmerk schenkt. Aber nicht ihr einziges: Kontaktaufnahmen zu Jazz und Weltmusik und eine konzentrierte pädagogische Arbeit erweitern das Blickfeld. Seit 2005 ist sie Dozentin an der Hochschule für Künste in Bremen.

    In Aiken im US-Staat South Carolina geboren, absolvierte Bledsoe ihre künstlerische Ausbildung in Indiana (Bloomington), Bangalore und Amsterdam. Seit 1994 lebt sie in Europa. Sie gewann den "Gaudeamus Interpreter's Competition for Contemporary Music" und den "Banff Concerto Award" und trat mit zahlreichen Orchestern und renommierten Ensembles für neue Musik auf. Seit 1997 ist sie Mitglied des Ensemble musikFabrik in Köln.

    Für Helen Bledsoe führt jede interpretatorische Bewältigung eines musikalischen Kunstwerks über die Lösung zweier Aufgaben: die Sprache und Ästhetik des Komponisten zu verstehen und die Mittel zu erarbeiten, "um dieser Sprache eine Stimme zu geben".

    die interpretin

    Portrait Helen Bledsoe

    Fasziniert war sie eigentlich von dem großen Instrument mit dem blanken Trichter, dem beweglichen Gestänge und kreisrunden Mundstück, in dem der ganze Mund verschwindet und mit dem man so wunderbar laute Töne machen kann. Oboe hätte ihr auch gefallen, aber weil es in der Musikschule keine Oboe gab und die Mutter die Posaune für ein neunjähriges Mädchen nicht passend fand (und damals auch zu teuer war), fiel die Wahl pragmatisch auf die Querflöte. Dass Helen Bledsoe die Flöte dann nicht mehr aus der Hand gab und heute zu den renommiertesten Flötistinnen nicht nur der zeitgenössischen Musik gehört, ist Mozarts zauberflöte zu verdanken. Wie konnte eine Flöte so unvergleichlich schön klingen? Der Ehrgeiz war geweckt, Notenlesen kein Problem – das hatte Helen Bledsoe schon als Siebenjährige bei der Cembalo spielenden Tante gelernt – und geübt wurde von jetzt an in jeder freien Minute. Dabei spielte Musik im elterlichen Haushalt gar keine wesentliche Rolle. Zwar war der Vater Amateursänger und Geiger gewesen, aber früh verstorben, noch bevor ihn die Tochter kennen lernen konnte. Kinderlieder aus der Sesamstraße waren die ersten bleibenden musikalischen Eindrücke, bis Tschaikowskys nussknacker-suite dann die Türe zur klassischen Musikwelt aufstieß. Die Mutter drängte nie aufs Üben, drohte nur, die Flöte wegzunehmen, wenn sie in der Ecke liegen würde. Das sollte nicht passieren. Mit der zeitgenössischen Musik kam Helen Bledsoe erst sehr viel später in Berührung. Als einzige Flötistin der Musikabteilung des Musikwissenschaftlichen Instituts in Pittsburgh war sie gefragt, wenn einer ihrer komponierenden Kommilitonen wieder einen Part für Flöte vorgesehen hatte. Die Namen „Schönberg“ und „Nono“ tauchten nur von Ferne auf, in hitzigen Diskussionen der angehenden Musikwissenschaftler: „Ich hörte immer die Studenten reden ‚Das ist ein gutes Stück, aber das ist ein ‚scheiß’ Stück.’ Ich habe gesagt, das klingt doch alles Scheiße! Wie kann man das beurteilen?“ Interessant schienen ihr all die Zwölftöner und Serialisten nur aus intellektueller Distanz. Wirklich elektrisiert von den klangsinnlichen Kosmen der neuen Musik wurde Helen Bledsoe durch ihre Begegnung mit Robert Dick. Als 18jährige lernte sie den amerikanischen Flötisten kennen und erhielt bei ihm Unterricht. Ein strenger Lehrer, wie sich Helen Bledsoe erinnert, der ihr sein wegweisendes Credo vermittelte: sich möglichst mit allen Werken eines Komponisten vertraut machen, um dessen Sprache und spezifische Ästhetik tatsächlich zu verstehen. Ein Weg, den Helen Bledsoe seit 2005 als Dozentin an der Hochschule in Bremen an die eigenen Studenten weitergibt, wenn sie nicht gerade als Mitglied des Ensembles musikFabrik auf internationalen Konzertbühnen steht. Leiten lässt sich die ebenso passionierte Musikerin wie Pädagogin dabei von einem Grundsatz, der für weit mehr steht als nur für die zeitgenössische Musik: „Musiker haben auch als Erwachsene die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu entwickeln und wieder von vorn zu beginnen. Darin liegt die einmalige Chance, über die engen traditionellen Grenzen seines Instruments und damit über sich selbst hinaus zu gelangen.“

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    Kein anderes Instrument wird seit Jahrtausenden so sehr mit magischen Vorstellungen verbunden wie die Flöte. In vielen Mythen gilt sie als Bindeglied zwischen Diesseits und Jenseits: auf mittelalterlichen Darstellungen kommt Gevatter Tod mit Einhandflöte und Trommel daher. In Mozarts zauberflöte führt die Flöte Tamino und Pamina unbehelligt „durch des Todes düstre Nacht.“ Und Barockkomponisten galt die Flöte als das reinste Instrument, weil sie nicht in den Mund gesteckt werden muss, sondern an den Lippen schwebt. In barocken Messen und Oratorien symbolisiert die Flöte daher oftmals den heiligen Geist.

    Sylvia Systermans

    die komponisten



    © félix nadar

    Claude Debussy: syrinx

    Mit ihrem Timbre war die Flöte auch Lieblingskind vieler Impressionisten, allen voran Claude Debussys. Sein Werk syrinx spielt auf die griechische Sage zur Entstehung der Panflöte an: um sich vor den Begehrlichkeiten des Gottes Pan zu schützen, verwandelt sich die Nymphe Syrinx vor seinen Augen in ein Schilfrohr. Der Verlassene klagt über den Verlust der Geliebten, indem er auf dem zur Flöte gebundenen Schilfrohr bläst „gleich dem Windhauch, doch mit lebendigem Atem und als Klage“. Komponiert hatte Debussy das kurze Stück ursprünglich mit dem Titel la flûte de pan als begleitende Bühnenmusik zu dem Drama psyché von Gabriel Mourey. Erst bei seiner posthumen Veröffentlichung 1927 erhielt syrinx seinen eigentlichen Titel. Eine schwebende Musik, die ihren wie improvisiert wirkenden Charakter synkopischen Überbindungen, Punktierungen und scheinbaren Taktwechseln verdankt, die jeder klaren rhythmischen Gliederung entgegenlaufen. Auch die um den Zentralton b kreisende arabeskenhafte melodische Bewegung manifestiert sich nirgends zur eindeutigen Tonart. Vielmehr begründen Ganztonleiter, Pentatonik und das zentrale Intervall des Tritonus den flüchtig schwerelosen Charakter des Stückes. » top

    Sylvia Systermans



    Edgar Varèse: density 21.5

    Das Gesamtwerk von Edgard Varèse, der Musik einmal als „atmosphärische Störung“ bezeichnete, gehört vielleicht zu den eigenwilligsten Oeuvres des 20. Jahrhunderts. Sein Flötenstück density 21.5 schrieb er 1935 im Auftrag von für Georges Barrère, Soloflötist des New York Symphony Orchestra. Barrère hatte sich Anfang der 30er ein Instrument aus Platin herstellen lassen und hierfür Varèse um ein Solostück gebeten. Der Titel density 21.5 bezeichnet die Dichte von Platin und verweist auf die Auseinandersetzung Varèses mit den physikalischen Klangqualitäten der Flöte. Varèse mag syrinx im Ohr gehabt haben, als er density 21.5 schrieb, denn bei aller Verschiedenheit ihrer klanglichen Ästhetik gibt es doch verblüffende Parallelen: etwa die Eröffnung beider Werke mit den Intervallen einer absteigenden kleinen Sekunde und aufsteigenden großen Sekunde. Ein Motiv, das bei Debussy seine Gestalt behält, bei Varèse hingegen nach und nach um größere Intervallsprünge erweitert und bei jeder Wiederholung in Tonhöhe, Dynamik und rhythmischer Gestalt verändert wird. Die letzten Noten in density 21.5 stammen – in enharmonischer Lesart und in auf- statt absteigender Folge – aus derselben Ganztonskala, die Debussy am Ende von syrinx verwendet und sowohl Debussy als auch Varèse vermeiden Töne, die die verwendeten Ganztonskalen chromatisch vervollständigen. Zudem erweist sich hier wie dort der Tritonus als charakteristisches Intervall. Ein Werk der dynamischen Extreme und feinsten klangfarblichen Schattierungen. » top

    Sylvia Systermans



    © universal edition / éric marinitsch

    Luciano Berio: sequenza I

    Auch in sequenza I von Luciano Berio werden die klanglichen und spieltechnischen Grenzen der Flöte ausgelotet. Insgesamt 14 Sequenze für Soloinstrumente schuf Berio zwischen 1958 und 2002. Werke, bei denen nicht mehr länger die Struktur bestimmendes Moment ist, sondern ein virtuoser, theatralisch-gestischer Stil, der auf Wirkung und unmittelbaren Ausdruck zielt. Als erster Komponist überhaupt verwendet Berio in seiner sequenza I Multiphonics, fordert extreme Artikulations- und Anblastechniken und lotet das dynamische Spektrum der Flöte aus vom ppppp bis zum fff. Während bei Varèse der einzelne Ton durch dynamische Schwellungen in ständiger Bewegung ist, fordert Berio oftmals statische Klänge und arbeitet mit dramatischen Effekten, indem er extreme dynamische und klangfarbliche Wechsel unvermittelt aufeinander folgen lässt. Eine Klangwelt, die Helen Bledsoe als „verrückte Sinnlichkeit“ beschreibt. » top

    Sylvia Systermans



    © aaron nace

    www.reinvere.fi
    Jüri Reinvere: opposite of thought

    Viele Werke des mehrfach ausgezeichneten, 1971 in Tallinn geborenen Komponisten Jüri Reinvere sind von zerbrechlicher Klanglichkeit, beziehen ihre Binnenspannung aus Gegensätzen, oft bis an die Grenze des Hörbaren. opposite of thought ist der dritte Satz seines 2009 entstandenen Requiems. Ein rund 50minütiges Stück für Soloflöte, vier episodische Männerstimmen, voice-over und Video. Die von Jüri Reinvere selbst für sein Requiem verfassten englischen Texte, die um Leben und Tod, Jenseits und Vergänglichkeit kreisen, werden von einer Erzählerin über den Texturen der Soloflöte vorgetragen. Zur Untermalung des Requiems drehte die australische Filmemacherin Catherine Jarvis Videosequenzen mit Dokumentationsmaterial des estnischen Filmarchivs aus den Kriegsjahren zwischen 1911 und 1944, in denen Tallinn mehrmals stark zerstört wurde. Als eigenständige Visualisierung verwandelt der Film das Requiem „von einer Botschaft der Zerstörung zu einer Botschaft der Toten an das Leben“, so Jüri Reinvere. Die Flöte reflektiert im Requiem als Hauptstimme das gesprochene Wort der Erzählerin, wobei beide Stimmen durch ein Netz unabhängiger Motive miteinander verwoben sind. Obwohl Jüri Reinvere kein Flötist ist, suchte er auf einer eigens für das Werk gekauften Flöte nach ungewöhnlichen Sounds. Und das sind in opposite of thought überwiegend aeolische Klänge, die sich entweder von Luft in Klang verwandeln oder umgekehrt von einem Ton in Luftgeräusche: „instabile whistle tones“, durch bisbigliandi erzeugte trillerartig flirrende Klänge und Multiphonics. Zerbrechliche, kaum noch hörbare Momente, die in rhythmisches Rauschen übergehen und zyklisch – wie die knappen melodischen Fragmente des Stückes – wiederkehren. Immer schlichter und karger wird die Klangtextur des Requiems, bis die Flöte schließlich bei den Worten „… the most acerb burns will come from the earth“ verstummt. » top

    Sylvia Systermans



    © malangeri photography

    www.preparadise.deRELAUNCHED
    Marcus Antonius Wesselmann: solo 1

    Eine alte Waschmaschine und die gegenläufigen Geräusche ihrer rotierenden Trommel, der herunter fallenden Wäsche und eines tickenden Zählers. Ein ratternder Zug und das rhythmisch versetzte Pochen von gusseisernen Rädern und vorbeiziehenden Hochleitungsmasten. Ein Spirograph aus buntem Plastik, kreisrunde Scheiben mit Zahnrädern, die ineinandergreifen und - von einem Stift angetrieben - geschwungene, nie identische Spiralen auf ein Blatt setzen. Später dann die repetitiven Muster in Werken wie first construction in metal von John Cage und music for 18 musicians von Steve Reich – seit sich Marcus Antonius Wesselmann erinnern kann, faszinieren ihn akustische (und optische) Ereignisse, die phasenverschoben verlaufen. In vielen seiner Stücke spielen sie eine zentrale Rolle. Auch in solo 1: Die Vermittlung zwischen zwei komplementären Materialgruppen steht hier im Zentrum, deren rhythmische und melodische Strukturen während des Stücks überlagert, verzahnt und gegeneinander verschobenwerden, ohne die jeweils eigene Identität aufzugeben. Marcus Wesselmann greift damit auf ein kompositorisches Verfahren zurück, das bereits seit dem 14. Jahrhundert existiert: Im Talea-Color-Prinzip der Ars Nova, bei dem der Tenor einer Ars-Nova-Motette nach rhythmischen (Talea) und melodischen (Color) Mustern durchstrukturiert wurde. » top

    Sylvia Systermans



    © guy vivien

    Tōru Takemitsu: voice

    Tōru Takemitsu gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen Komponisten Japans. In vielen seiner Werke verbindet der 1996 verstorbene Autodidakt eine neoimpressionistische, an Debussy orientierte Tonsprache und westliche Satz- und Spieltechniken mit einer traditionellen japanischen Klangvorstellung, die „von den Spuren des Windes in der Natur und in der Seele handelt, im Unbewussten also, das als ‚Traum’ bezeichnet werden könnte und wie der Wind unsichtbar und ohne Unterlass das menschliche Bewusstsein durchzieht.“ Seine besondere Vorliebe für Claude Debussy entdeckte Takemitsu, als er als junger Mann krankheitsbedingt mehrere Jahre ans Bett gefesselt war und über den amerikanischen Militärsender Jazz und westliche Klassik hörte. Insbesondere die Flöte spielt im Oeuvre Takemitsus eine zentrale Rolle. Sowohl die japanische Shakuhachi mit ihren feinen mikrotonalen Klangschattierungen, als auch die westliche Querflöte mit den Spieltechniken der europäischen Avantgarde. Zu seinem 1971 entstandenen Werk voice für Flöte solo wurde Tōru Takemitsu angeregt durch eine Zeile aus den „handmade proverbs“, den „selbst gemachten Sprichwörtern“ des Dichters und Kunstkritikers Shuzo Takiguchi: „Who goes there, speak transparent, who ever you are.” – „Wer geht dort? Sprich, Geist, wer immer Du bist!“ Gesprochen wird diese Anspielung auf eine Geistgestalt des japanischen No-Theaters in französischer und englischer Übersetzung von der Flötistin. Zu Beginn von voice werden jedoch zunächst lang ausgehaltene Töne wie Pinselstriche einer japanischen Kalligraphie in den Raum gesetzt. Dramatische Effekte klingen an, wenn schrille Töne an die kurzen, die Geister weckenden Bambusflöten des No-Theaters erinnern oder Zungenpizzicati an die hohlen Holzschläge, wie sie in rituellen Zeremonien buddhistischer Mönche eingesetzt werden. In feinsten dynamischen Abstufungen sind in voice Stimme und Atemgeräusche der Flötistin gefordert, vom Flüstern, über Rufen, Schreien, Singen und Erzählen ins Instrument. Gewidmet ist voice dem Schweizer Flötisten Aurèle Nicolet. » top

    Sylvia Systermans

    Robert Dick: electric blues

    Der verzerrte Sound elektrisch verstärkter Stahlsaiten, von virtuosen Fingern angerissen, geschlagen, gedehnt, gezupft. Finger, die über Metall sliden, mit Effektgeräten spielen und mal volltönend warme, mal hart aufjaulende Klänge hervorbringen. Wie lässt sich dieser Sound einer E-Gitarre von einem metallenen Rohr imitieren, das seinen Klang lediglich einer durch pure Lippenspannung in Schwingung versetzten Luft verdankt? Robert Dick hat das Experiment gewagt: ein klassisch ausgebildeter Flötist, der nicht nur in der gängigen europäischen Flötenliteratur zuhause ist, sondern auch im Jazz und in der improvisierten Musik. Der eine große Liebe für Jimi Hendrix hegt und sich zu seinem electric blues von dem Hendrix-Stück red house inspirieren ließ. In seiner freien Übertragung dieses Songs auf ein Blasinstrument bleibt die ungewöhnliche Inspirationsquelle stets hörbar und die Flöte entwickelt hier eine neue Sprache, um den Sound verstärkter Gitarrensaiten und den rhythmischen Puls des Blues mit seiner spezifischen Stilistik zu adaptieren. Helen Bledsoe lernte die Musik von Jimi Hendrix über Robert Dick kennen. Für sie eine Musik, die ihre Schönheit vor allem durch das sprachähnliche Gitarrenspiel von Hendrix entfaltet. Seine Art des Geschichtenerzählens lauschte er den Vorbildern ab: Buddy Guy, Muddy Waters, B.B. King, Chuck Berry. Verändert hat Hendrix den Sound der E-Gitarre mit speziellen Effektgeräten und Spieltechniken. Vor allem in Songs wie red house spielte er in seinen Soli komplexe Akkorde, Licks und Fills, wie sie bis dahin nur im Jazz verwendet wurden. Improvisierte Momente, die Robert Dick in electric blues zu Papier gebracht hat.» top

    Sylvia Systermans

    Helen Bledsoe: that cat don't sit

    Ausschließlich improvisiert ist das abschließende Stück that cat don’t sitvon Helen Bledsoe. Angeregt wurde sie hierzu durch ihre Zusammenarbeit mit Enno Poppe und Wolfgang Heisig. Zwei Komponisten, die zurzeit an einem Projekt für das Ensemble musikFabrik arbeiten, bei dem die traditionelle Trennung zwischen kompositorischen und interpretatorischen Prozessen aufgehoben werden soll. „Tiere sitzen nicht“ heißt die Bühnenmusik für 200 Instrumente, an deren Entstehung jeder Orchestermusiker durch Improvisation unmittelbar beteiligt ist. Die Ideen zu ihren Improvisationen erarbeiteten die Musiker in Einzelproben mit den Komponisten, die wiederum für die koordinierenden Strukturen des Stücks verantwortlich sind, ohne die Individualität der Orchestermusiker zu beschränken. Helen Bledsoe entwarf im Rahmen dieser Proben mit Enno Poppe und Wolfgang Heisig die Idee zu that cat don’t sit. Um den Wunsch von Poppe und Heisig nach tiefen Tönen zu realisieren, griff sie allerdings nicht zur Bassflöte, sondern setzte mit der Piccoloflöte einen Kontrapunkt zu den für diesen Part bereits vorgesehen Instrumenten Tuba, Posaune, Horn und Bassklarinette. Tiefe Töne in unterschiedlichsten klanglichen Nuancen erzeugt Helen Bledsoe auf dem Piccolo, indem sie etwa das Anblasloch mit dem Mund umschließt und Vokalisen in die Flöte singt oder die Lippen mit dem Druck eines Trompetenansatzes auf das Mundstück presst. Der improvisatorische Ansatz in that cat don’t sitbesteht darin, so Helen Bledsoe, wie bei einem Spaziergang von einer Klangidee zur nächsten zu gelangen.» top

    Sylvia Systermans